Die Gewinner 2018 - Filmpreise Zürich
Die Preisverleihung fand am 13. November 2018 in Zürich statt. Nachfolgend finden Sie die Gewinnerfilme.
Jury Begründung –
Gekonnt und mit viel Einfallsreichtum verwebt die junge Autorin animierte Sequenzen, reale Szenen und Archivmaterial zu einer schaurigen, rätselhaften, poetischen Geschichte, die ins Herz der Finsternis führt. In ihrem dokumentarischen Hybridfilm begibt sie sich auf eine mutige persönliche Nachforschungsreise in einen längst vergangenen Krieg, den sie mit von Hand gezeichneten einfarbigen Animationen wieder zum Leben erweckt, so dass er einem unter die Haut geht und lange nachwirkt. Die prägende kindliche Erinnerung, die als Ausgangspunkt für die Erzählung dient, entwickelt sich mit der Zeit zu einer sehr differenzierten journalistischen Auseinandersetzung, ohne je an Spannung und Kraft zu verlieren.
Die Filmkommission ist sich einig, dass das fesselnde und mit sehr viel Hingabe gestaltete Memoire Chris the Swiss nicht zuletzt durch die kunstvoll erzählte Geschichte und den starken Gestaltungswillen der vielversprechenden Regisseurin überzeugt.
Chris the Swiss
Preis / Auszeichnung:
Zürcher Filmpreis 2018
Regie: Anja Kofmel
Produktion: Dschoint Ventschr Filmproduktion AG, Zürich
Drehbuch: Anja Kofmel

Jury Begründung –
Mit Dene wos guet geit erweist sich Drehbuchautor und Regisseur Cyril Schäublin als überraschende neue Stimme im Schweizer Film. Mit seinem existenzialistischen Drama entwirft er ein ebenso kritisches wie lakonisches Sittenbild unserer Gesellschaft, in der sich viele Menschen nur noch über Kennzahlen und Nummern identifizieren.
Geschickt nutzt er in der Bildkomposition die Architektur als Seelenspiegel, um die Entfremdung des Menschen im von Betonkargheit geprägten urbanen Raum zu verdeutlichen. Ihm ist ein Kunstfilm gelungen, der über die Bilder zu erzählen weiss und die Banalität des Bösen – eine junge Frau bringt mit dem Enkeltrick alte Frauen um ihr Erspartes – in einer Weise zum Ausdruck bringt, die an die cineastische Moderne von Antonioni gemahnt. Dies hat nicht nur das zahlende Kinopublikum honoriert, sondern auch unsere Kommission.
Dene wos guet geit
Preis / Auszeichnung:
Zürcher Filmpreis 2018
Regie: Cyril Schäublin
Produktion: Seeland Filmproduktion GmbH, Zürich
Drehbuch: Cyril Schäublin

Jury Begründung –
Anstoss und Inspiration für die Geschichte von Der Läufer war das Schicksal eines Kochs und erfolgreichen Waffenläufers, der Anfang der Nullerjahre in Bern und Umgebung mehrere Frauen gewaltsam attackierte, eine davon mit tödlichem Ausgang.
Nach einleitendem Hinweis auf die katastrophalen Verhältnisse in der frühen Kindheit konzentriert sich die fiktionale Interpretation der realen Ereignisse ganz auf die scheinbar intakte Lebenswelt des jungen Erwachsenen und die von seinem Umfeld unbemerkte Gewalteskalation. Durch die konsequente Ausrichtung der Erzählperspektive auf die Hauptfigur, den bewussten Verzicht auf dramatisierende Stilmittel und das eindringliche Schauspiel von Max Hubacher entwickelt.
Der Läufer einen Sog, dem man sich trotz zunehmend beklemmender Wirkung nicht zu entziehen vermag. Die besondere und durchaus verstörende Kraft des Films besteht darin, statt einfacher Erklärungsversuche oder moralischer Wertungen eine behutsame und doch schonungslose Annäherung an die Widersprüche und seelischen Abgründe eines jungen Sportlers zu unternehmen, der für seine Nächsten völlig überraschend zum Serientäter wird.
Der Läufer
Preis / Auszeichnung:
Zürcher Filmpreis 2018
Regie: Hannes Baumgartner
Produktion: Contrast Film Bern GmbH
Drehbuch: Stefan Staub

Jury Begründung –
Der Titel «Genesis 2.0» fasst pointiert göttliche Schöpfung und bange Zukunftsvision. Christian Frei verknüpft dafür zwei Erzählstränge, zwei Welten, zwei Realitäten: Ko-Regisseur Maxim Arbugaev entführt uns in epischen Bildern in die archaische Landschaft der Neusibirischen Inseln, wo ein Trüppchen Jäger seinen Lebensunterhalt unter viel Mühsal mit dem Aufspüren von Mammuts verdient – oder besser, was von ihnen übrigbleibt. Die Stosszähne etwa, wird das Elfenbein auf dem Weltmarkt doch mit Gold aufgewogen, aber auch Gewebe, das der tauende Permafrost freigibt und das für Klonforscher von unschätzbarem Wert ist. Letztere agieren schon seit geraumer Zeit in einer Welt unterkühlter Labors und zukunftsoptimistischer Konferenzen, die in schrillem Kontrast zu den Aufnahmen aus der Arktis stehen.
Genesis 2.0 vermag einen verblüffenden Bogen von den Anfängen der Menschheit in eine Zukunft zu spannen, der wir uns mit Eilschritten nähern und die uns erschaudern lässt vor jenem Augenblick, in dem die Wissenschaft das Wunder der Kreation gänzlich entschlüsselt und der Mensch sich definitiv zum «Schöpfer» erhebt.
Genesis 2.0
Preis / Auszeichnung:
Zürcher Filmpreis 2018
Regie: Christian Frei
Produktion: Christian Frei Filmproduktionen GmbH, Zürich
Drehbuch: Christian Frei

Jury Begründung –
Den Dokumentarfilm Eldorado kann man als die Summe von Markus Imhoofs Schaffen sehen. Der Regisseur, der stets aus einer inneren Wut über gesellschaftliche Missstände heraus künstlerisch aktiv wird, verbindet das Thema der Flucht, das schon seine Filme Fluchtgefahr, Das Boot ist voll und Die Reise prägte, mit seiner Kindheitserinnerung an das Flüchtlingskind Giovanna, das seine Familie nach dem Zweiten Weltkrieg aufnahm und das nach seiner Abschiebung nach Italien gestorben ist.
Hat unsere westliche Zivilisation aus der Geschichte gelernt?, fragt er angesichts der aktuellen humanitären Notlage vieler Asylsuchender und gibt die Antwort gleich selbst: leider nicht.
Imhoof ist in der Manier eines investigativen Journalisten weite Wege gegangen, um das Schicksal der Menschen hinter den Zahlen einzufangen sowie die Überforderung unserer Institutionen im Umgang mit ihnen. Ihm ist ein aufklärerischer und aufwühlender Dokumentarfilm gelungen, der in lange nachwirkenden Bildern Zusammenhänge aufzeigt und das Publikum zum politischen Handeln auffordert.
Eldorado
Preis / Auszeichnung:
Zürcher Filmpreis 2018
Regie: Markus Imhoof
Produktion: Thelma Film AG, Undervelier
Drehbuch: Markus Imhoof

Jury Begründung –
Wie das unstoffliche Gefühl des Begehrens subtil und nachvollziehbar auf die Leinwand bringen? Glaubenberg gelingt dieser Hochseilakt und der Film bietet Bilder von grosser emotionaler Intensität. Im Zentrum stehen Lena und ihre Gefühle für den älteren Bruder Noah – verbotene Gefühle.
In ihrer allerersten Rolle für die Leinwand brilliert als Protagonistin Zsofia Körös und lässt Leidenschaft, Verlangen, Glück, aber auch Eifersucht und Verzweiflung auf ihrem Gesicht ihre ganze Ausdruckskraft entfalten. Die Kamera ist immer wieder unaufdringlich nah, die Schnittkadenz mal atemlos kurz, mal extensiv lang.
Für beides zeichnet Regisseur Thomas Imbach und verquickt Vergangenheit und Gegenwart, Traum und Realität, um uns auf eine ähnliche Achterbahn der Empfindungen zu schicken, wie sie die Hauptfigur durchlebt. «Glaubenberg», der Name eines Bergpasses zwischen Obwalden und Luzern, steht für die Kindheitserinnerung an eine innige Bruder-Schwester-Beziehung und für den Sehnsuchtsort einer Liebe, die Lena – wie der Film eindrücklich zeigt, ohne zu urteilen – mit ganzer Kraft und gegen alle Widerstände ins Erwachsenenleben zu überführen sucht.
Glaubenberg
Preis / Auszeichnung:
Zürcher Filmpreis 2018
Regie: Thomas Imbach
Produktion: Okofilm Productions GmbH, Zürich
Drehbuch: Thomas Imbach

Jury Begründung –
Der Film Die Gentrifizierung bin ich: Beichte eines Finsterlings von Thomas Haemmerli nähert sich den Themen Stadtentwicklung, Gentrifizierung und Dichtestress auf unterhaltsame, vergnügliche und informative Weise. Der Kosmopolit Haemmerli führt uns rasant aus seiner persönlichen Perspektive durch das eigentlich trockene Thema Stadtentwicklung, schlägt einen Bogen von seiner eigenen Kindheit in einem Villenquartier über seine Zeit als Häuserbesetzer bis in seine Gegenwart als stolzer Wohnungsbesitzer im In- und Ausland.
Mit beissender Ironie und provokanten Thesen hält er dem Publikum den Spiegel vor, sodass sich dieses bei seinen eigenen Klischeevorstellungen ertappt: Ist man jetzt konservativ und bekämpft die Moderne? Pointenreich, selbstkritisch und unterstützt mit typografischen und witzigen musikalischen Elementen gelingt dem Regisseur ein aktuelles Zeitdokument.